Montag, 29. Juni 2015

Leiharbeit, Minijob und Co.

Spürbare Folgen für das Privat- und Familienleben

Wer atypisch beschäftigt ist, muss mit zahlreichen Nachteilen leben. Menschen in Leiharbeit, Teilzeitarbeit, mit befristeten oder Minijobs verdienen meist nicht nur weniger als die sogenannten Normalarbeitnehmer. Das Arbeiten jenseits der "Norm" wirkt sich auch auf das Privatleben aus, wie Prof. Dr. Irene Gerlach, Dr. Regina Ahrens, Inga Laß und Henning Heddendorp vom Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP) in Münster herausgefunden haben. Die damit verbundenen Risiken tragen vor allem Frauen, zeigt ihre von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie.* 

Im Kern der Untersuchung geht es darum, welchen Einfluss atypische Beschäftigungsverhältnisse auf Partnerschaft und Familie, soziale Netzwerke oder die gesellschaftliche Teilhabe haben. Die Datenbasis für die Analyse bildet das Sozio-oekonomische Panel (SOEP).

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl der atypisch Beschäftigten deutlich gestiegen. Ein großer Teil des Jobwachstums seit den 1990er-Jahren ging auf die zunehmende Verbreitung solcher Beschäftigungsverhältnisse zurück. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren 2012 knapp acht Millionen Menschen atypisch beschäftigt. Die WSI-Datenbank "Atypische Beschäftigung" folgt der engeren Definition, die die Bundesagentur für Arbeit vom "Normalarbeitsverhältnis" hat, und geht sogar von mehr als 13 Millionen aus.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die Politikwissenschaftlerin Gerlach sehen atypische Beschäftigung nicht pauschal als negativ an, betonen aber den zwiespältigen Charakter: Während Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befristete Stellen und Leiharbeit ganz überwiegend unfreiwillig und mangels alternativer Angebote übernähmen, sehe das bei Teilzeit- oder Minijobs auf den ersten Blick teilweise anders aus. Insbesondere Frauen entschieden sich häufig bewusst für einen solchen Job, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Doch selbst wenn es sich "oberflächlich betrachtet" um eine freiwillige Wahl handele, steckten dahinter oftmals "strukturelle Zwänge", wie etwa fehlende Möglichkeiten der Kinderbetreuung oder ein mangelndes Familienbewusstsein in der Arbeitswelt. 

- Teilzeitbeschäftigte: Mehr Zeit für Kinder, höhere Abhängigkeit -

Ein Vergleich der verschiedenen Beschäftigungsformen zeigt: Beschäftigte in Teilzeit oder Minijobs investieren am meisten Zeit in die Betreuung von Kindern - im Schnitt zwischen gut sieben und mehr als elf Stunden pro Werktag, wenn das jüngste Kind unter drei Jahre alt ist. Diese Arbeit leisten der Studie zufolge vor allem Frauen. Zwar wenden auch Väter, die in Teilzeit arbeiten, mehr Zeit für Kinder auf als regulär Beschäftigte, aber bei den Müttern stellten die Forscher "weitaus deutlichere Effekte" fest. Am wenigsten Zeit für die Kinderbetreuung - 2,7 Stunden pro Werktag - bringen Beschäftigte in Normalarbeitsverhältnissen auf, eine Gruppe mit besonders hohem Männeranteil (siehe auch die Infografik; Link unten). 

In Partnerschaften ist eine traditionelle Rollenverteilung nach wie vor weit verbreitet: "Während normalbeschäftigte Männer zumeist eine Partnerin im Hintergrund haben, die ihnen den Rücken für das berufliche Engagement freihält", sind Frauen mit regulärem Job mehrheitlich ledig, schreiben Gerlach, Ahrens, Laß und Heddendorp. Nur 38 Prozent von ihnen seien verheiratet, unter den normalbeschäftigten Männern seien es 59 Prozent.

Frauen, die ihre Arbeitszeit zugunsten der Familie reduzieren, seien abhängiger vom Partner und damit im Falle einer Trennung schlechter abgesichert. Außerdem zeigten die Untersuchungen, dass atypisch beschäftigte Frauen in erhöhtem Maße finanzielle Unterstützung von Familienmitgliedern außerhalb des Haushalts erhalten. 

- Höheres Trennungsrisiko bei Unverheirateten in Leiharbeit und zwischen zwei atypisch Beschäftigten -

Zudem scheint atypische Beschäftigung die Partnerschaft zu belasten: Nicht verheiratete Paare trennen sich deutlich häufiger, wenn ein Partner in Leiharbeit beschäftigt ist oder wenn beide Partner atypische Jobs (Leiharbeit oder andere) haben. Bei Verheirateten ist dieser Effekt nicht zu beobachten. "Hier scheint der höhere Institutionalisierungsgrad von Ehen für einen stärkeren Zusammenhalt bei beruflichen Belastungen zu sorgen", schreiben die Wissenschaftler.

Große Unterschiede stellten die Forscher fest, wenn es um die Mitsprache im Betrieb geht: Je größer die Abweichung vom Normalarbeitsverhältnis ist, desto seltener gehören Beschäftigte einer Gewerkschaft oder einem Betriebsrat an. Geringfügig Beschäftigte sind am seltensten organisiert, befristet Vollzeitbeschäftigte dagegen relativ häufig. 

- Aufklärung über Risiken, passende Kinderbetreuung für Normalbeschäftigte -

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des FFP sehen die politische und gesellschaftliche Kommunikation am Zuge. Sie müsse stärker als bisher den Zusammenhang zwischen individuellen und gesellschaftlichen Konsequenzen atypischer Beschäftigung in den Blick nehmen. So erhöhten atypische Beschäftigungsformen aufgrund der geringeren Erwerbsbeteiligung, von diskontinuierlichen Erwerbsbiographien sowie des tendenziell geringeren Einkommens das Risiko von Altersarmut, warnen die Forscher. Auch ein Faktor wie die höhere Trennungsrate im Zusammenhang mit Leiharbeit könne die soziale Integration von Beschäftigten schwächen. Neben den individuellen Problemen verursache dies sowohl volkswirtschaftlich als auch sozialpolitisch Folgekosten, die gerade in einer "alternden Gesellschaft" nicht unterschätzt werden dürften.

Politik und Recht sollten daher "stärker als bisher echte Wahlmöglichkeiten zwischen unterschiedlichen Beschäftigungsformen schaffen", empfehlen die Forscher. Das beginne etwa bei einer besseren Aufklärung Beschäftigter über die ökonomischen Risiken bestimmter Jobs. Zentral sei die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch im Normalarbeitsverhältnis, beispielsweise durch den weiteren Ausbau von qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

*Irene Gerlach, Regina Ahrens, Inga Laß, Henning Heddendorp: Die Bedeutung atypischer Beschäftigung für zentrale Lebensbereiche, FFP-Policy Brief, Juni 2015. Download: 
http://www.ffp.de/tl_files/dokumente/2015/20150625_Policy_Brief_Projekt 2013-633-3.pdf

Infografik zum Download: http://www.boeckler.de/hbs_showpicture.htm?id=60219&chunk=1

Die WSI-Datenbank "Atypische Beschäftigung" der Hans-Böckler-Stiftung bietet aktuelle Zahlen für jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt: http://www.boeckler.de/wsi_5859.htm

Sonntag, 14. Juni 2015

Donnerstag, 11. Juni 2015

Das deutsche Modell

Neues E-Book kostenlos erhältlich

Vorbild oder Störenfried? Wie ausländische Wissenschaftler das „German Model“ sehen

Deutschland steht seit der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009/2010 wirtschaftlich relativ gut da. Immer wieder ist von einem „deutschen Modell“ die Rede, das die positive Entwicklung bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit und beim Exportwachstum erkläre. Gibt es dieses Modell wirklich? Worauf beruht es? Wie nachhaltig ist es? Kann und sollte es Vorbild für andere Volkswirtschaften sein? Diesen Fragen geht das neue E-Book „The German Model – Seen by its Neighbours“ nach.

Dabei spielt der Blick von Außen eine wichtige Rolle: Die Mehrheit der mehr als 20 Autorinnen und Autoren forscht an Universitäten im europäischen Ausland und den USA. Unter ihnen sind unter anderem Prof. Dr. Peter A. Hall von der Harvard University, Prof. Dr. Robert Boyer vom französischen Institut des Amériques oder Prof. Dr. Martin Seeleib-Kaiser von der Oxford University. Ihre Untersuchungen reichern die Analysen aus deutscher Perspektive an, die prominente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Prof. Dr. Anke Hassel von der Hertie School of Governance oder Prof. Dr. Wolfgang Streeck und Prof. Dr. Fritz Scharpf, die langjährigen Direktoren des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, liefern.

„Interessant ist, dass die große Mehrzahl der Forscher in einem Punkt einig ist, unabhängig davon, woher sie kommen“, sagt Prof. Dr. Brigitte Unger, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung und Herausgeberin des Buches. „Als wesentliche Erfolgsfaktoren in Deutschland sehen sie funktionierende Institutionen und insbesondere eine verlässliche Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Organisationen.“ Diese prägten nicht nur das Tarifsystem, sondern auch die duale Berufsausbildung, berechenbare Regeln auf dem Arbeitsmarkt oder Wettbewerb und Zusammenarbeit zwischen Unternehmen. „Allerdings konstatieren viele der Experten über die vergangenen zwei Jahrzehnte eine Schwächung des `deutschen Modells´, vor allem im sozialen Bereich“, ergänzt die WSI Direktorin Unger, die selbst an der Universität Utrecht lehrt. „Und die deutsche Rolle in Europa sehen viele der Forscher kritisch.“

Einen ausführlichen Überblick über das Buch gibt die Zusammenfassung von Brigitte Unger: http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_23_2015.pdf

Das E-Book (pdf) kann kostenlos über das Internetportal „Social Europe“ heruntergeladen werden:
http://www.socialeurope.eu/wp-content/uploads/2015/04/German-Model.pdf



— Sport frei!

Samstag, 6. Juni 2015

Erntedank und „Blut und Boden“

Ausstellungskatalog: Erntedank und „Blut und Boden“ 
– Bückeberg/Hameln und Goslar 1933 bis 1938 
– NS-Rassekult und die Widerrede von Kirchengemeinden

Goslar. 2015 legte der Verein Spurensuche Harzregion e.V. den Ausstellungskatalog „Erntedank und „Blut und Boden“ – Bückeberg/Hameln und Goslar 1933 bis 1938 – NS-Rassekult und die Widerrede von Kirchengemeinden“ vor.

Der Bückeberg bei Hameln und die spätere Reichsbauernstadt Goslar gehörten seit den ersten Erntedankfeiern der NS-Diktatur im Oktober 1933 zu den zentralen Orten der Inszenierung von Führer- und Volksgemeinschaft, den Parteipredigten von Blut, Boden und Rasse durch den Reichsnährstand. Der Erntedanktag war bis dahin traditionell als Festakt zum Dank an den Schöpfergott in den Kirchen der christlichen Gemeinden begangen worden. Er wurde den Kirchen als Tag der Feier ihrer Gemeinde durch das NS-Regime entrissen.

In einer Ausstellung im Städtischen Museum Goslar wurde im Oktober/November 2009 erstmals der Versuch unternommen, diese Aspekte der „Reichserntedankfeste“ dem interessierten Publikum im gebührenden Zusammenhang vorzustellen. Die Ausstellung wurde von einem Symposium zum Thema begleitet. In der nun vorliegenden Dokumentation sind Elemente der Ausstellung abgebildet sowie die Vorträge des Symposiums abgedruckt.

Der Reichsnährstand war in Goslar an vielen Orten präsent, so mit der Reichsbauernhalle (Goslar-Halle), dem Blut- und Boden-Verlag (Bäckerstr. 22) oder der Reichsbauernschule (heutige Klubgartenstr. 9a), wo das Führungspersonal des Reichsnährstandes in mehrwöchigen Lehrgängen ideologisch gefestigt wurde. In der Tagungsstätte Hessenkopf bzw. in der Kornstr. 8 war seit 1938 die Reichsschule für Bauernführer untergebracht. Weitere Reichsnährstands-Niederlassungen befanden sich in der Hirschstr. 11, Tappenstr. 1, Zeppelinstr. 3 und im ehemaligen Hotel Nonnenberg. Zu den großen Neubauten, die u.a. auf dem Bollrich geplant waren, kam es nicht mehr.

Der Katalog wurde vom Verein Spurensuche Harzregion e.V. in Kooperation mit der Ev.-luth. Propstei Goslar und Bernhard Gelderblom als Sonderband 2 der Reihe „Spuren Harzer Zeitgeschichte“ herausgegeben und von Dr. Peter Schyga redigiert. Er bietet auf 50 Seiten und mit 75 Abbildungen viel Material zum Thema, das in der Lage ist, die zeithistorische und politische Debatte um die Schaffung einer zentralen Dauerausstellung zum Thema in Niedersachsen zu fördern und voranzutreiben.

Ausstellung und Katalog wurden maßgeblich unterstützt durch die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, wofür ebenfalls herzlich zu danken ist. Ein besonderer Dank geht auch an das Städtische Museum Goslar für die Bereitstellung der Räumlichkeiten und die technische, personelle und finanzielle Unterstützung sowie das Stadtarchiv Goslar für die Bereitstellung von Quellen und Ausstellungsobjekten.

Der Ausstellungskatalog ist ab sofort erhältlich im Städtischen Museum Goslar, im Buchhandel oder beim Papierflieger Verlag GmbH, Telemannstr. 1, 38678 Clausthal-Zellerfeld, Tel. 05323/96746, Fax 982831, papierflieger_verlag@web.de. Er kostet 5 Euro zzgl. Versand. ISBN: 978-3-86948-048-0.

Spurensuche Harzregion e.V.
www.spurensuche-harzregion.de
Telefon 05321/20281

Uwe Perbey, Gewerbesteuererklärung 2014 Kompakt

Uwe Perbey, Gewerbesteuererklärung 2014 Kompakt
6. Auflage 2015

Umfang: 315 Seiten, Kartoniert, Preis: 59,90 €
ISBN: 978-3-95554-102-6

Formulare erfordern umfassende Kenntnisse des Gewerbesteuerrechts
Zeile für Zeile der Steuererklärung richtig erklärt/Mit zahlreichen Beispielen

Auch bei Nutzung der Elster-Formulare unentbehrlich

Mit aktueller Rechtsprechung und den Verwaltungsanweisungen des Jahres 2014
Der Formularteil dieses Buches wendet sich in erster Linie an Praktiker, die mit Gewerbesteuerfragen konfrontiert werden oder eine Gewerbesteuererklärung bearbeiten. Das Werk bietet aber auch eine schnelle Hilfe für alle anderen Steuerfachleute. Berücksichtigt sind dabei die für den Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Steuergesetze.

Der Teil Gewerbesteuerliche Einzelfragen grundsätzlicher Art stellt eine tief gehende Kommentierung wichtiger Gewerbesteuerfragen dar. Umfassend behandelt werden z.B. der gewerbliche Grundstückshandel, die Abgrenzung zu nicht gewerbesteuerpflichtigen Tätigkeiten (selbständige Arbeit, Land- und Forstwirtschaft) sowie die Betriebsverpachtung und die Betriebsaufspaltung. Dabei ist die neueste Rechtsprechung eingearbeitet.

Darüber hinaus enthält dieser Teil Ausführungen zu gewerbesteuermindernden Ehegattenverträgen und zu Verträgen mit Kindern. Auch Fragen zum Gewerbesteuermessbetrag und zur Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags werden behandelt.

Mit einer umfassenden Checkliste zur Bearbeitung der Gewerbesteuererklärung 2014.
Zielgruppe: Steuerberater und dessen Mitarbeiter, Finanzverwaltung, Steuerabteilungen von Unternehmen, Unternehmer und Unternehmen, Gewerbetreibende, Freiberufler und Existenzgründer.

Der Autor:
Uwe Perbey, Diplom-Finanzwirt ist seit 1974 in verschiedenen Positionen der Berliner Steuerverwaltung im Bereich der Körperschaftsteuer tätig und Dozent für das Fach Körperschaftsteuer. Seit Jahren unterrichtet er an der Finanzschule Berlin und bereitet angehende Steuerberater in den Vorbereitungskursen auf die Steuerberaterprüfung vor. Er hält außerdem Vorträge u.a. zur Körperschaftsteuerveranlagung in den Berufsverbänden und Kammern.