Donnerstag, 27. Oktober 2016

Das Lügengewebe der NATO-Medien um Aleppo

Meinung

Endspiel in Syrien: Die Schlacht um Aleppo und der ‚Plan C‘

von Prof. Tim Anderson, übersetzt von Hermann Ploppa

Die vielen Landkarten im Internet sind schlicht irreführend. Sogar vor dem Eingreifen der russischen Luftwaffe in den Konflikt im September 2015 beherrschte die syrische Regierung 85 Prozent der bevölkerten Gebiete des Landes. Aber Aleppo zurückzugewinnen, ist entscheidend für die Kontrolle Syriens über den Norden und über die Nachschublinien des schrumpfenden Territoriums des IS im Osten.

Syriens Hauptproblem stellten die halb offenen türkischen Nachschublinien der dschihadistischen Armeen dar, die die 800 Kilometer lange Nordgrenze überquerten, und der von Türkei, Saudi-Arabien und Katar unterstützte Vormarsch des IS von Osten her. In den letzten zehn Monaten hat die syrische Allianz erfolgreich an beiden Fronten Boden zurückgewonnen. Obendrein befindet sich die Türkei seit dem Juli 2016 im Chaos mit ihren ganz eigenen Problemen.

Viele folgen der Logik der beherrschenden Kräfte, aber um die Endphase in diesem Krieg zu verstehen, ist auch die Logik des Widerstands nicht weniger wichtig. Syrien tritt den Beweis an, dass unabhängige Völker, die einig sind und Widerstand leisten, im Endergebnis mehr zu bestimmen haben als je zuvor.

Washingtons Krieg gegen Syrien begann mit dem Einsatz sektiererischer Armeen, um die Regierung in Damaskus zu stürzen. Nach wie vor sprechen die westlichen Medien von ‚moderaten Rebellen‘, aber die Beweislage ergibt eindeutig, dass die USA und ihre Verbündeten jede einzelne bewaffnete Gruppierung in Syrien unterstützt haben, einschließlich der westlichen Gruppe, allen voran die ehemalige Jabhat al-Nusra (die jetzt umgetauft wurde in ‚Jabhat Fatah al-Sham‘, um den syrisch-russischen Bombenangriffen zu entgehen). Dazu stieß die östliche Gruppe DAESH-ISIS. Alle verbindet eine ähnliche heimtückische sektiererische Ideologie.

Ungeachtet des Blutbades und der rhetorischen Spielchen ist die Aggression, die in Plan A steckt, gescheitert.

Der ‚Plan B‘ zielte auf die Aufteilung des Landes durch das Ausreizen der, wie es die USA sahen, ‚kurdischen Karte‘.

Mal ganz davon zu schweigen, dass jegliche Bestrebung, Syrien aufzuteilen, gegen die Bestimmungen der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates verstößt, die noch einmal die ‚klare Verpflichtung der Vereinten Nationen zur Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität der Syrischen Arabischen Republik‘ bestätigt. Die USA ignorieren solche Nettigkeiten einfach.

Nichtsdestoweniger scheitert Plan B dank des Zusammenhalts syrischer Gemeinschaften, durch deren Unterstützung der syrischen Armee sowie durch eine starke regionale Solidarität, besonders vom Iran, von Russland, der Hisbollah sowie der nationalistischen palästinensischen Milizen.

Sogar Syriens kurdische Milizen arbeiteten mit der syrischen arabischen Armee zusammen und verließen sich auf sie. Was immer Syriens Kurden wünschen: wenn es zu einer Abstimmung käme, würden die Syrer keine Föderalisierung unterstützen, die das Land nur schwächen würde gegen seine Feinde.

Plan C

‚Plan C‘könnte stattfinden, wo die Kräfte besser zusammenwirken. Washingtons ‚Schurkenstaat‘ ist ein schlechter Verlierer. Washington brauchte sieben Jahre, um sich aus Vietnam zurückzuziehen, nachdem es bereits wusste, dass es verlieren würde. Jedoch verfügt Syrien in der Person des russischen Präsidenten über einen Meister-Diplomaten, der willens und in der Lage ist, einen ‚ehrenvollen‘ nordamerikanischen Rückzug zu präsentieren.

Präsident Putin ermöglichte Präsident Obama schon früher einmal einen ehrenvollen Rückzug, und zwar im September 2013. Damals wurde die syrische Regierung beschuldigt, die eigene Bevölkerung mit Chemiewaffen getötet zu haben. Tatsächlich ging der Angriff mit chemischen Waffen aber von der Terrormiliz Jabhat al-Nusra und ihren Partnern aus (siehe Anderson 2016, Kapitel Neun). Es wurde ein Deal ausgehandelt: die syrische Armee vernichtete ihre Arsenale an chemischen Waffen (die als Abschreckung gegen die Atommacht Israel gedacht waren, und nicht als Waffen gegen die eigene Bevölkerung). Im Gegenzug verzichteten die USA darauf, Syrien militärisch anzugreifen.

Wir können einen ähnlichen Handel erkennen, wenn Putin Obamas staatsmännische Rolle bei der Unterstützung von Friedensbemühungen in Syrien feiert und damit Washington ermöglicht, Syrien thematisch ‚auf das Abstellgleis‘ zu schieben, wie es das bereits im letzten Jahr mit dem Iran tat. Selbstverständlich würde das eine ungeheuerliche Lüge bedeuten, aber diese Lüge könnte vielleicht wenigstens weiteres Blutvergießen beenden helfen.

Ein Regimewechsel in der Türkei könnte gewiss für einen solchen Plan hilfreich sein. Jedoch ob nun Erdogan die Meuterei seiner eigenen Streitkräfte auf Dauer überlebt oder nicht: ein Wandel in den politischen Rahmenbedingungen verändert die Rolle, die die Türkei in Syrien spielt. Während seine Stellvertreterarmeen verlieren, versucht Ankara seine miserablen Beziehungen mit Russland zu reparieren, während sich die Beziehungen zu Washington verschlechtern. Erdogan beschuldigt die USA, ob zu Recht oder zu Unrecht, den jüngsten Putschversuch unterstützt zu haben.

Jede Ausführung von ‚Plan C‘ in den wenigen Monaten, die der Obama-Regierung noch verbleiben, würden vielleicht die Fragen der ideologischen Kampagnen und Wirtschaftssanktionen gegen Syrien, Iran und Hisbollah, also Israels entscheidenden Gegenspielern, ungelöst zurücklassen.

Die Erfahrungen aus Washingtons früheren Kriegen in Lateinamerika und Vietnam lehren uns, dass die USA unbedingt ihre Mythen am Leben erhalten wollen, ihre ‚offizielle Geschichte‘, und zwar so lange wie möglich.

Aleppo stellt den abschließenden Umkehrpunkt in diesem Konflikt dar, nach der Befreiung von Homs, Kusseir und Palmyra. Entscheidende Wendungen im Kriegsgeschehen zerstören die Moral sowohl der Dschihadisten als auch von deren Geldgebern. Nicht einmal Fanatiker sind darauf erpicht, an einer offenkundig der Niederlage geweihten Sache beteiligt zu sein.

Seit dem letzten Jahr haben die sektiererischen Gruppen im ländlichen Raum um Damaskus ständig an Boden verloren. Die Hauptstadt selber, mittlerweile angeschwollen auf sieben bis acht Millionen Einwohner, erlebte sehr wenig Angriffe durch Raketen, Mörser oder Bomben in diesem Jahr. Das Straßenleben ist erheblich entspannter. Waffenstillstandsvereinbarungen haben ‚funktioniert‘, weil die verbliebenen bewaffneten Gruppen (in Ost-Ghuta und Daraya) entscheidend geschwächt sind und sich in der Umzingelung befinden.

Während nun jedoch Damaskus ein gewisses Gefühl an Sicherheit wieder erlangt hat, tobt jetzt ein erschreckender Krieg in Aleppo. Wie üblich logen die westlichen Medien unablässig und konzentrierten sich auf jenen Teil der Stadt, der von den al-Kaida-Gruppen gehalten wurde, und der insgesamt gerade mal 200.000 Menschen umfasst, mit einberechnet ist noch die kleine Armee von Geheimdienstagenten aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Türkei und Israel, dazu noch etliche westliche Nichtregierungsorganisationen wie die White Helmets, die Weißhelme.

In den letzten Tagen haben sich kleinere Gruppen von Dschihadisten ergeben, um in den Genuss einer möglichen Amnestie des syrischen Präsidenten zu gelangen, während Dutzende Einwohner die Stadt verlassen durch von syrischer und russischer Armee kontrollierte humanitäre Korridore. Diese Checkpoints werden von Kommando-Einheiten betrieben, einschließlich der Tiger-Einheiten <1> von General Suheil al-Hassan, weil solche Checkpoints immer noch von dschihadistischen Selbstmord-Autobomben getroffen werden können, wie das in Palmyra der Fall war.

Typischerweise erschienen keine westlichen Medien-Stories über die 1,5 Millionen Menschen in den von der Regierung gehaltenen Stadtteilen. In der Zeit von April bis Mai 2016 wurden rund um Aleppo eine große Anzahl Menschen ermordet, als zivile Bereiche und größere Krankenhäuser durch die NATO-unterstützten ‚Rebellen‘ bombardiert wurden. Sie wurden sogar dabei gefilmt, wie sie ihre ‚Höllenkanonen‘ abfeuerten, und dabei ausriefen: „Schleuder‘ es auf Zivilisten“ (Anderson 2016, 9.Mai). Nichts davon fand Erwähnung in den westlichen Konzernmedien.

Ebenfalls im Zeitraum April bis Mai 2016 behaupteten die White Helmets, dass russische und syrische Luftschläge das ‚al-Quds-Krankenhaus‘ zerstört hätten, wobei der letzte Kinderarzt in Aleppo getötet worden sei. Tatsächlich betonten Dr. Nabil Antaki und die Ärztekammer von Aleppo, dass es sich bei dieser Einrichtung nicht um ein registriertes Krankenhaus handelte, sondern eher um ein improvisiertes Lazarett in einem beschädigten Wohnhaus in einem von al-Nusra gehaltenen Gebiet. Tatsächlich gibt es noch eine ganze Reihe von Kinderärzten in den wichtigsten öffentlichen Krankenhäusern (Antaki und Cattori 2016; Beeley 2016; Makhoul-Yatim 2016).

Die Söldnerbanden feuerten hunderte von Raketen in das Zentrum von Aleppo, attackierten die kurdischen Stadtviertel mit Giftgas und enthaupteten öffentlich einen palästinensischen Knaben, angeblich weil er ein Spion einer palästinensischen Miliz gewesen sein soll, die an der Seite des syrischen Heeres kämpft. Bezeichnenderweise verlieh die englische Fernsehanstalt BBC den Behauptungen der Dschihadisten, dass der öffentlich ermordete zwölfjährige Junge ein ‚Kämpfer‘ sei, einen gewissen Stellenwert (BBC 2016). Verzerrte Berichterstattung bis zum bitteren Ende.

Die westlichen Medien, die immer noch im Kriegszustand sind, brachten unzutreffende Geschichten, dass ‚ganz Aleppo‘ sich im Belagerungszustand befände, oder dass die Feldlazarette der al-Kaida die ‚einzigen Krankenhäuser‘ in Aleppo seien. Ein Beispiel: die australischen staatlichen Medien berichteten: „In der syrischen Stadt Aleppo gehen die Lebensmittel aus, weil die Streitkräfte des Regimes die Stadt umzingeln.“ Tatsächlich sind lediglich 15 Prozent der Bevölkerung von Aleppo eingeschlossen von der syrischen Armee. Zur selben Zeit befindet sich das gesamte Land Syrien unter Belagerung durch Wirtschaftssanktionen der USA, der Europäischen Union und Australiens (ABC Radio National 2016).

Diese Geschichten zählen umso weniger, je mehr sie ersetzt werden durch unmittelbare Videozeugnisse von Bewohnern, die die von al-Kaida gehaltenen Gebiete verlassen, nur um die syrische Armee zu loben und die vom Westen unterstützten ‚moderaten‘ Kopfabschneider zu verfluchen (Geopolitics 2016).

Die vom Westen unterstützten Dschihadisten verlieren an Boden und die Moral in der Region ist gefestigt. Der syrische Führer der zivilen Opposition Mustafa Kelechi (der nicht mit den bewaffneten Gruppen verbunden ist) sagt, der Kampf um Aleppo‚ ist ein Krieg, um den Takfiri <2>-Gruppen das Rückgrat zu brechen‘ (FARS News 2016). Die Regierung des Irak, einst wahrgenommen als Marionette der USA, hat wiederholt ihre enge Zusammenarbeit im Kampf der syrischen Regierung gegen Terroristen bekräftigt (SANA 2016).

Die regionale Allianz, die in diesem Krieg geschmiedet wurde – bestehend aus Syrien, Iran, Russland, Irak, Hisbollah sowie den nationalistischen palästinensischen Milizen – wird eine starke Rolle einnehmen sowohl im syrischen Endspiel als auch weiterhin in der ganzen Region.

Professor Tim Anderson lehrt an der Universität Sydney politische Ökonomie. Anderson ist Autor des aktuellen Buches „Der schmutzige Krieg gegen Syrien. Washington - Regime Change – Widerstand.“ Liepsen Verlag Marburg, 2016.

Anmerkungen

<1> englisch Tiger Forces, arabisch: Quwwa an-Nimr. Eine im Jahre 2013 gegründete Spezialeinheit des syrischen Heeres für besondere Aufgaben im Bürgerkrieg. Ihr Befehlshaber Suheil al-Hassan ist von der Luftwaffe an diese Stelle versetzt worden und gilt als äußerst fähiger Organisator.

<2> Takfiri: extreme Richtung innerhalb der pseudo-islamischen Terrorgruppen. Dort wird die Meinung vertreten, dass alle Menschen, die nicht dieser pseudo-islamischen Richtung angehören, zu töten seien.

 

Quellen

ABC Radio National (2016), ‘Syrian city of Aleppo running out of food as regime forces surround city’, 20 July, online:

http://www.abc.net.au/radionational/programs/breakfast/syria’s-aleppo-running-out-of-food/7643402

Anderson, Tim (2016) Der schmutzige Krieg gegen Syrien. Washington – Regime Change – Widerstand. Marburg 2016.

https://derschmutzigekrieggegensyrien.wordpress.com/2016/05/25/tim-anderson-der-schmutzige-krieg-gegen-syrien/

Anderson, Tim (2016, 9 May) ‘The ‘Aleppo Hospital’ Smokescreen: Covering up Al Qaeda Massacres in Syria, Once Again’, Global Research, 9 May, online: 

http://www.globalresearch.ca/the-aleppo-hospital-smokescreen-covering-up-al-qaeda-massacres-in-syria-once-again/5524250

Antaki, Nabil and Silvia Cattori (2016) ‘Aleppo Doctor Attacks Western Media for Bias, Censorship and Lies’, Global Research, 1 May, online:

http://www.globalresearch.ca/aleppo-doctor-attacks-western-media-for-bias-censorship-and-lies/5522736

BBC (2016) ‘Syria conflict: Boy beheaded by rebels ‘was fighter’’, 21 July, online: http://www.bbc.com/news/world-middle-east-36843990

Beeley, Vanessa (2016) ‘Aleppo: US NATO False Flags, Lies and Propaganda’, 21st century Wire, 4 May, online:

http://21stcenturywire.com/2016/05/04/aleppo-us-nato-false-flags-lies-and-propaganda/

FARS News (2016) ‘Dissident Leader Sees Army Victories in Aleppo “Syria’s Winning Card in Geneva”’, 23 July, online:

http://en.farsnews.com/newstext.aspx?nn=13950502000650

Geopolitics (2016) ‘Trapped Aleppo residents begun flowing through 1st humanitarian corridor’, 31 July, online:

https://geopolitics.co/2016/07/31/trapped-aleppo-residents-begun-flowing-through-1st-humanitarian-corridor/

Makhoul-Yatim, Amara (2016) ‘Nabil Antaki, the Syrian doctor who refused to leave Aleppo’, France 24, 21 May, online:

http://www.france24.com/en/20160520-syria-aleppo-nabil-antaki-doctor-maristes-civilians-civil-war

SANA (2016) ‘President al-Assad receives letter from Iraqi prime Minister: War carried on by Syrian and Iraqi armies is one’, 13 July, online:

http://sana.sy/en/?p=82559

Donnerstag, 20. Oktober 2016

BILDERWELTEN - Buchmalerei zwischen Mittelalter und Neuzeit

Bayerische Staatsbibliothek

München 13.04.2016 - 24.02.2017

Spitzenstücke der deutschen Buchmalerei des Spätmittelalters und der frühen Renaissance zeigt der große Ausstellungszyklus „Bilderwelten – Buchmalerei zwischen Mittelalter und Neuzeit“ der Bayerischen Staatsbibliothek vom 13. April 2016 bis 24. Februar 2017.
Link: http://idw-online.de/de/event54345

Samstag, 15. Oktober 2016

Auf zur Buchmesse

Verlag Klaus Wagenbach
Der unabhängige Verlag für wilde Leser

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,

In Frankfurt werden dieser Tage unter viel Getöse die Messestände aufgebaut, hier sind Bücher, Vitamintabletten und die Kaffeemaschine bereits eingepackt. Alles bereit für die Buchmesse 2016.

Eine apollinisch-dionysische Messe wird es. Wie stets. Sie feiert Dichter und Denker, huldigt einer heiligen Kulturtechnik, lobpreist das Buch in all seinen Erscheinungsformen. Und ist bei alledem durchaus nicht ganz nüchtern und zudem äußerst tanzfreudig. Nur gesungen wird immer zu wenig…

Wir freuen uns jedenfalls sehr. Auch über Ihren Besuch bei uns in Halle 4.1, Gang F, Stand 50.

Mit noch ganz ausgeschlafenen Grüßen

Ihr Verlag Klaus Wagenbach

Verlag Klaus Wagenbach • Emser Straße 40/41 • 10719 Berlin • www.wagenbach.de

Mittwoch, 12. Oktober 2016

UNSER HARZ Oktober 2016

UNSER HARZ Oktober 2016: Das Jägerdenkmal in Goslar; Bergahorn – der Baum des Jahres 2009; Harzer Künstlerpostkarten, Teil 8 - Goslar; Nationalparkforum: 25 Jahre Brockenhaus – Grenzgeschichte und Nationalpark im Blick

Am 19. September 2016 wurde der 90. Geburtstag des Goslarer Jägerdenkmals gefeiert. Anlass für Dr. Donald Giesecke, sich Gedanken über die Bedeutung von Mahn- und Gedenkstätten im Allgemeinen und zum Goslarer Jägerdenkmal im Besonderen zu machen. Den deutlichsten Ausdruck findet der über die Jahrhunderte stattgefundene Sinneswandel bezüglich der Kriegerehrung in dem an der Kaiserpfalz aufgestellten Werk „Goslar Warrior“ des ersten Kaiserringträgers Henry Moore. 

Gerade im Oktober ist das kräftig gefärbte Laub des Bergahorns bei uns vielerorts zu bewundern. Nicht nur über sein besonderes Holz, das in vielerlei Bereichen Verwendung findet, wird hier berichtet, auch auf botanische Besonderheiten wird hingewiesen und die besondere Geschichte dieses Baumes hier im Harz gestreift, wo er entlang der Anfahrtswege zu den meisten Gruben gepflanzt wurde.

Die vielen malerischen Motive, die die Stadt Goslar zu bieten hat, haben zahlreiche Künstler dazu angeregt, sie auf Postkarten zu verewigen. Glücklicherweise hat das Stadtarchiv diese zur Vervollständigung alter Stadtansichten gesammelt.

Im Nationalparkforum wird das Brockenhaus vorgestellt, frühere Abhörzentrale der Staatssicherheit der DDR, heute Nationalparkhaus, das in seinen Ausstellungen eine Fülle von Informationen über die Geschichte des Brockens vermittelt, seine berühmten Besucher, seine besondere Flora, die hier gut aufbereitet zu bestaunen ist, und natürlich seine besondere Funktion in der Zeit der deutsch-deutschen Teilung. Zukunftsgerichtete Fragen zu Natur und Umwelt werden ebenso an die Besucher herangetragen wie zur geologischen Entstehungsgeschichte des Harzes, zu der auch eine Fülle von Ausstellungsstücken präsentiert wird. Ein Café und ein gut sortierter Museumsshop runden das sehenswerte Angebot dieses Hauses ab.

UNSER HARZ kann an folgenden Stellen erworben werden (noch bequemer ist ein Abonnement):

Altenau: GLC-Touristinformation
Bad Harzburg: Haus der Natur, Nordhäuser Str. 2B
Bad Sachsa: GLC-Touristinformation am Kurpark
Clausthal-Zellerfeld: Grosse´sche Buchhandlung, Adolph-Roemer-Str. 12, und Oberharzer Bergwerksmuseum, Bornhardtstr. 16,
Drübeck: Klosterladen im Gärtnerhaus
Goslar: Buchhandlung Böhnert, Kaiserpassage
Sankt Andreasberg: Stadtbuchhandlung Brockschmidt, Dr. Willi-Bergmann-Str. 11.

Schriftleitung UNSER HARZ
Brigitte Lippmann
Ringstraße 30G
38678 Clausthal-Zellerfeld

Freitag, 7. Oktober 2016

Schere von Armut und Reichtum

Vorstände im Dax verdienen im Mittel 57-mal so viel wie durchschnittliche Beschäftigte 

Vorstände von Dax-Unternehmen verdienen im Mittel 57-mal so viel wie die durchschnittlichen Beschäftigten in ihrer Firma. Dabei reicht die Bandbreite im Dax 30 vom 17- bis zum 141-fachen. Das zeigt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung.* Die Autorinnen der Untersuchung empfehlen konkrete Transparenzvorschriften im Deutschen Corporate Governance Kodex, um die große Ungleichheit zwischen Topmanagern und den übrigen Beschäftigten abzubauen.

Wer die Verantwortung für die Geschicke eines großen Unternehmens mit zig tausend Arbeitsplätzen trägt, erbringt eine beachtliche Leistung und sollte anständig bezahlt werden. Dagegen wird kaum jemand etwas einwenden. Die Frage ist aber, wie hoch der Gehaltsaufschlag ausfallen darf. Eine Messgröße ist hier die sogenannte Manager to Worker Pay Ratio, auf die seit 2013 auch der Deutsche Corporate Governance Kodex Bezug nimmt. Wie hoch die Ratio - also das Verhältnis zwischen Vorstandvergütung und durchschnittlichem Verdienst im Unternehmen ausfällt -, muss von deutschen Unternehmen allerdings bislang nicht publiziert, sondern lediglich im Aufsichtsrat besprochen werden. Anders ist dies in den USA: Firmen müssen die Werte ab kommendem Jahr öffentlich ausweisen. Das soll künftig dazu beitragen, Gehaltsexzesse zu verhindern.

Die Vergütungsexpertin Marion Weckes von der Hans-Böckler-Stiftung hat zusammen mit Qendresha Berisha die Pay Ratios für die 30 Dax-Unternehmen berechnet. Dazu haben die Forscherinnen die Vorstandsvergütungen ins Verhältnis zu den Durchschnittsverdiensten im jeweiligen Konzern gesetzt. Datenbasis sind die Angaben zu den Gesamtaufwendungen für das Personal weltweit in den Geschäftsberichten für die Jahre 2005, 2008, 2011 und 2014. Angaben für inländische Beschäftigte waren nicht durchgängig verfügbar und erlaubten daher keinen Vergleich.  

Zentrales Ergebnis: Im vergangenen Jahrzehnt ist der Abstand zwischen Topmanagern und durchschnittlichen Beschäftigten deutlich angestiegen. 2005 bekam ein Vorstandsmitglied im Dax durchschnittlich 42 mal so viel wie ein  Beschäftigter, 2011 erreichte die Ratio mit dem 62-fachen einen vorläufigen Höchststand. Dem jüngsten ermittelbaren Wert, der Manager to Worker Pay Ratio von 57, liegen Daten von 2014 zugrunde. Dabei reicht die Spanne vom 17-fachen bei Konsumgüterkonzern Beiersdorf (u.a. Nivea) über das 33-fache bei der Allianz oder das 81-fache beim Pharmakonzern Merck bis zum 141-fachen beim Autobauer Volkswagen (alle Werte in der Grafik auf Seite 5 der Studie; Link unten). Drei Dax-Unternehmen weisen eine Ratio von mehr als 100 auf, nur zwei von weniger als 20. Vergleicht man die Jahre 2011 und 2014, fällt die Situation in den 25 Unternehmen, die in beiden Jahren im Dax waren, uneinheitlich aus: In zwölf wuchs der Abstand, in 13 ging er zurück. Bei VW beispielsweise vom 170- auf das 141-fache.  

Höhe und Entwicklung der Pay Ratio können mehrere Ursachen haben. Zum einen den wirtschaftlichen Erfolg: Oft stehen Unternehmen mit einem hohen internen Gehaltsabstand bei Umsatz, Gewinn und Beschäftigungswachstum gut da. Das galt beispielsweise für VW, das im Geschäftsjahr 2013 - wichtige Basis für die Vorstandsvergütung ein Jahr später - in diesen Kategorien ebenfalls an der Dax-Spitze rangierte. Allerdings, betonen die Forscherinnen, gilt dieser Zusammenhang nicht bei allen Unternehmen. Auch Trends bei der Bezahlung und Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können die Pay Ratio beeinflussen: Wenn ein Unternehmen bei Neueinstellungen niedriger entlohnt oder Beschäftigung ins Ausland verlagert, schlägt sich das ebenfalls in der Ratio nieder.  

Die Studie zeigt auch: In den USA fällt der Verdienstabstand noch weitaus größer aus. Jenseits des Atlantiks bezieht die Gruppe der Vorstandsvorsitzenden im Durchschnitt das 335-fache ihrer Arbeiter und Angestellten. Es bleibe abzuwarten, so Weckes und Berisha, ob die neue Veröffentlichungspflicht die Abstände reduzieren wird. Eine Untersuchung der Harvard Business School zeige jedenfalls, dass die Wertschätzung der Verbraucher für ein Unternehmen sinkt, wenn sie wissen, dass dessen Manager sich eine extrem hohe Vergütung gönnen.

Mehr Transparenz herzustellen wäre auch hierzulande immerhin "ein erster Schritt", schreiben die Expertinnen. Das Gebot ließe sich sehr einfach durch eine kleine Ergänzung im Corporate Governance Kodex verankern. Die Autorinnen liefern in ihrer Studie dafür einen konkreten Vorschlag. So sollte etwa im separaten Vergütungsbericht der Unternehmen "die Angemessenheit des Verhältnisses der Vorstandsvergütung zur Vergütung des oberen Führungskreises und der Belegschaft begründet und die Beschäftigtenanzahl in Köpfen und Vollzeitäquivalenten nach Inland und weltweit" ausgewiesen werden. So sei garantiert, dass sich der gesamte Aufsichtsrat eingehend mit der Pay-Ratio-Thematik befasse und die interessierte Öffentlichkeit in die Lage versetzt werde, die inländische sowie die Konzern-Ratio selbst nachzuvollziehen. Der Kodex empfehle zwar schon heute die Berücksichtigung der Ratio. Doch in der Praxis werde "in vielen Aufsichtsräten die Vergütungsrelation, wenn überhaupt, nur auf Nachfrage berichtet" - schon, weil die Zahlen nicht automatisch den Weg in die Sitzungsunterlagen finden, berichten Weckes und Berisha. 

Wenn die Zahlen auf dem Tisch liegen müssen, könne der Aufsichtsrat die für das Unternehmen beste Lösung finden, etwa einen Höchstwert für die Pay Ratio. Dies sei, betonen die Autorinnen der Studie, übrigens nicht nur im Interesse der Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat, die sich für eine faire Entlohnung der Beschäftigten einsetzen. "Eine Obergrenze läge mitunter sogar im Interesse der Aktionäre". Denn Studien zeigen: Sehr große Gehaltsdifferenzen zwischen Führung und Beschäftigten wirkt sich negativ auf Kooperations- und Leistungsbereitschaft, also letztlich auf den Unternehmenserfolg aus. Manager, die finanziell stark nach oben abwichen, neigten häufig zu Selbstüberschätzung und risikoreicherem Handeln.

*Marion Weckes, Qendresa Berisha: Manager to Worker Pay Ratio, Mitbestimmungsreport Nr. 25, Oktober 2016. Download: http://www.boeckler.de/pdf/p_mbf_report_2016_25.pdf